Ziegler, Diène, Duboiris, Robinson
Das Buch ist erschienen im Verlag "Duboiris" in Paris, der seinen Namen vom schwarz-afrikanischen Bürgerrechtsaktivisten, Historiker, Dichter und Schriftsteller William E. Dubois bezieht. Es trägt den Titel "Une Suisse esclavagiste. Voyage dans un pays au-dessus de tout soupçon". Der Untertitel mit seiner Anspielung auf das Buch von Ziegler ist bewusst gewählt und von ihm auch abgesegnet worden. Das Vorwort stammt vom früheren Leiter des UNESCO-Programms "La route de l'esclave", dem heutigen UNO-Sonderberichterstatter für Rassismus, dem Senegalesen Doudou Diène. Mein Buch wurde zusammen mit demjenigen der schwarz-afrikanischen Bürgerrechtsaktivistin Amelia Robinson (Le combat de noirs aux Etats-Unis.Témoignage d'une amie de Rosa Parks et de Martin Luther King) lanciert.
Maison de la Radio, Présence Africaine
Erste Station war das "Maison de la Radio" in Paris, wo im Saal der Auslandpresse eine Pressekonferenz organisiert war. Wegen dem Streik der Bahnarbeiter traf ich dort mit einer Stunde Verspätung (vom Flughafen Orly her) ein, was aber nicht weiter schlimm war, da die 96-jährige Amelia Robinson noch mitten in ihrem Referat war. Sie ist eine aussergewöhnliche Person, noch sehr vital, klar und präsent und mit einem Erinnerungschatz, der fast ein Jahrhundert von Kämpfen für die Gerechtigkeit umfasst. Nach ihr zu referieren, erschien fast ein wenig unpassend, aber das Thema "Die Schweiz und die Sklaverei" löste dann doch viele Fragen und Diskussionen aus. Am späteren Nachmittag, wieder mit Verspätung wegen den streikbedingt verstopften Strassen, begann in der Buchhandlung "Présence Africaine" die eigentliche Vernissage meines Buches, wieder zusammen mit Amelia Robinson. Die (sehr kleine) Buchhandlung des für die afrikanische Geschichte und Kultur entscheidenden Verlags "Présence Africaine" (gegründet 1947 durch Alioune Diop, dessen Frau Christiane den Verlag heute führt und die auch anwesend war) ist – gemäss meinem Verleger, dem Kameruner Charles Onana – das "Herz des intellektuellen Lebens des frankophonen Afrikas in Paris". An den Wänden hängen die Portraits von Aimé Césaire, Frantz Fanon, Cheikh Anta Diop, Léopold Senghor und all den anderen, die für die Entwicklung des schwarzafrikanischen Bewusstseins und der Unabhängigkeitsbewegung eine wichtige Rolle gespielt haben. Unter den Gästen der Vernissage traf ich den französisch-guadeloupanischen Autoren Claude Ribbe, den ich zum letzten Mal in Port-au-Prince (Haiti) getroffen hatte, sowie Henry Désir, den Begründer der "Pilgerfahrt" für Toussaint Louverture auf das Fort de Joux.
Nantes, erster Sklavereihafen Frankreichs
Für den folgenden Abend war in Nantes eine Lesung im "Maison d'Outre-Mer / Espace Louis Delgrès" organisiert, weil von Nantes aus rund 40% aller französischen Dreieckshandelsexpeditionen losfuhren (viele mit Schweizer Indiennes-Stoffen als Fracht) und weil meine Übersetzerin Claudine Layre dort wohnt. Der Anlass war gut besucht, und im zweiten Teil kam es zu spannenden Diskussionen und Interventionen, weil unter anderem die Mitglieder einer eher radikalen Vereinigung "Passarelle Noire" (welche am 10. Mai jeweils einen "Marche des esclaves" organisiert) sowie auch ein eher gemässigtes Mitglied des Stadtrates (mit Wurzeln auf den französischen Antillen) anwesend waren. Dabei ging es vor allem um die Rolle Frankreichs in der Sklaverei, um die Bewertung der "Loi Taubira", eines Gesetzes, das 2001 erstmals die Sklaverei zum Verbrechen gegen die Menschlichkeit erklärt hat, und um die Frage der Reparationen. Anwesend war auch der Graphiker des Titelbildes, ein junger Schwarzer aus Clichy-sous-Bois, der während den Unruhen in den Banlieux dem damaligen Innenminister und heutigen Staatspräsidenten vor laufender Kamera deutlich die Meinung gesagt hatte.
Nachspiel auf Fort de Joux
Eine Woche nach der Lesung war ich dann noch Teilnehmer an einem Seminar zur Erinnerungspolitik in Pontarlier (Departement Doubs). Dabei ging es um die Vernetzung und den Erfahrungsaustausch zwischen der "Route de l'abolition de l'esclavage et des droits de l'homme" (mit den Stationen "Maison Schoelcher" in Fessenheim, "Maison de l'Abbé Grégoire" in Embreménil, "Maison de la Négritude" in Champagney und dem Fort de Joux, der letzten Station im Leben von Toussaint Louverture), den atlantischen Sklavenhandelsstädten Nantes, Bordeaux und La Rochelle sowie Museen und Gedenkstätten in Übersee (Martinique, Guadeloupe, französisch Guyana und La Réunion). Anwesend war auch der französische Historiker Marcel Dorigny, welcher als Mitglied der Kommission zur Umsetzung der "Loi Taubira" von den Schwierigkeiten berichtete, einen nationalen Gedenktag an die Sklaverei zu definieren (heute der 10. Mai als der Tag, an dem die "Loi Taubira" durch die Nationalversammlung verabschiedet wurde). Ich durfte aus der Schweiz berichten, wo es zwar noch keine Museen oder Gedenkstätten gibt, aber immerhin schon eine ganz anständige Debatte.
Hans Fässler, 31. Oktober 2007