Umbenennung der Krügerstrasse in Dürrenmattstrasse
8. Juni 2009

Rede von
Elisabeth Beéry, Stadträtin, Direktion Bau und Planung

Initiativen zur Umbenennung der Krügerstrasse gab es seit den 1980er-Jahren in unregelmässigen Abständen immer wieder. So wurde beispielsweise am 19. November 1986 das Strassenschild mit der Aufschrift „Krügerstrasse“ kurzfristig durch ein provisorisches Schild mit „Mandelastrasse“ ersetzt. Dieses harmlose, aber doch symbolträchtige politische Happening fand unter Beteiligung von Dulcie September statt, welche Repräsentantin des  African National Congress für Frankreich, die Schweiz und Luxemburg war und knapp anderthalb Jahre nach dieser Aktion in Paris ermordet wurde.

Wer auch immer in den letzten über zwanzig Jahren für eine Namensänderung der Krügerstrasse eingetreten ist, tat dies mit dem stets gleichen Argument: Es sei stossend, dass in St.Gallen ein Mann mit einer Strasse geehrt werde, dessen Name eng mit der Kolonialherrschaft und mit der Unterdrückung der schwarzafrikanischen Bevölkerung in Südafrika verbunden sei.

In seiner Sitzung vom 9. September 2008 beschloss der Stadtrat die Umbenennung der Krügerstrasse in Dürrenmattstrasse. Grundsätzlich versucht der Stadtrat zwar solche Namensänderungen zu vermeiden. Die wünschbare Dauerhaftigkeit von Namen, die Identität der Quartiere und nicht zuletzt der administrative und finanzielle Aufwand widersprechen der leichtfertigen Ersetzung von Strassennamen. Trotzdem hat der Stadtrat in diesem Fall eine Ausnahme gemacht. Bei der Beurteilung der Politik Krügers setzen die Historikerinnen und Historiker heute den Akzent auf dessen Rolle bei der Etablierung einer Gesellschaftsordnung, die später ins südafrikanische Apartheidsystem mündete. Der Stadtrat hat mehrfach bekräftigt, jede Art von Rassismus abzulehnen, und bemüht sich um eine erfolgreiche Integrationspolitik.  Es ist deshalb nur folgerichtig, dass er die Bestrebungen unterstützt, Paul Krüger nicht weiterhin mit einem Sankt-Galler Strassennamen die Ehre zu geben.

Kürzlich fand sich im Stadtarchiv ein Protokolleintrag, der die Namensgebung „Krügerstrasse“ belegt. Die Baukommission der damals noch selbstständigen Gemeinde Straubenzell beschloss in ihrer Sitzung vom 28. März 1904 Folgendes:

„Die Straße nördlich des stärkle’schen Baureviers und der Seifenfabrik wird mit dem Namen ‚Krüger-Strasse’ getauft, in Erinnerung des ehrwürdigen, greisen Republikaners Ohm Paul, des Expräsidenten der Transvaalrepublik. Ein Mitglied der Baukommission hat die Freude gehabt, das Häuschen des alten Buren an der Riviera zu sehen, und nun hat er auch ein Andenken daran, wenn er die sonst nüchternen Reviere Innerstraubenzells durchstreift.“

Der Beschluss ist in dreierlei Hinsicht bemerkenswert:

1.     Mit der Krügerstasse ehrte die Baukommission einen Republikaner, der als führender Vertreter des kleinen Burenstaats sich lange Zeit gegen das übermächtige Weltreich Grossbritannien behauptete. Eine solche Konstellation war und ist im Kleinstaat Schweiz immer beliebt. Dass man Krüger im zitierten Protokoll mit der liebevollen Bezeichnung auf Afrikaans „Ohm Paul“ (Onkel Paul) betitelte, zeigt ebenfalls, wie die Sympathien verteilt waren. Nicht zur Sprache kam in der Baukommission, dass die Buren die Rechte der schwarzafrikanischen Bevölkerung missachteten, ebenso wenig,  dass sie ja keineswegs ihr angestammtes Land, sondern lediglich die Reste der niederländischen Kapkolonie verteidigten. Insofern sind die Burenkriege als Auseinandersetzungen zwischen den zwei Kolonialmächten Niederlande und Grossbritannien zu verstehen.

2.     Der Beschluss der Straubenzeller Baukommission erfolgte rund dreieinhalb Monate vor Krügers Tod in Clarens im Kanton Waadt. Dort hatte sich Krüger niedergelassen, als sich die Niederlage der Buren gegen die Briten im Zweiten Burenkrieg (1899-1902) abgezeichnet hatte. Anders als die damalige Baukommission berücksichtigt der Stadtrat heutzutage für Strassennamen nur verstorbene Persönlichkeiten. Wer weiss schon, wie sich noch lebende Personen entwickeln, und was ihnen noch alles einfällt?

3.     Dass ein Mitglied der Baukommission sich beim Anblick des Stassenschildes „Krügerstrasse“ an „das Häuschen des alten Buren an der Riviera“ erinnern darf, ist ein erstaunlich sentimentales Argument. Allerdings war der Bedarf an Strassennamen damals enorm, denn Straubenzell wuchs im Sog der Sankt-Galler Stickereiindustrie geradezu explosionsartig, so zwischen 1900 und 1910 von 8000 auf 15'000 Menschen. Die romantischen Gefühle eines Mitglieds der Baukommission können da die Namensgebung schon einmal beeinflusst haben.

An diesem dritten Punkt hätte Friedrich Dürrenmatt vielleicht seine besondere Freude gehabt, zeichnen sich seine weltweit bekannten Tragikomödien doch durch einen Zug ins Groteske aus. Es war schon lange geplant, bei passender Gelegenheit eine Strasse nach diesem bedeutenden Schweizer Theaterautor und Künstler zu benennen. Diese Gelegenheit bot sich nun, und der Stadtrat ist überzeugt, damit eine gute Wahl getroffen und fragwürdigen historischen Ballast abgeworfen zu haben.