«Bankgeheimnis» für uralte Konten
Die CS hält Sklavenakten unter Verschluss
Die Stadt Zürich räumt ein, dass sie im 18. Jahrhundert in den Sklavenhandel verstrickt war. Das war auch die Grossbank Credit Suisse. Doch diese will ihre Archive partout nicht öffnen.
Vor 250 Jahren blühte der Handel mit der Sklaverei auf der ganzen Welt. Millionen von Schwarzen wurden zwangsweise aus Afrika über den Atlantik in die Kolonien der Karibik und nach Südamerika verfrachtet. Dort mussten sie unter elenden Bedingungen auf Plantagen schuften. Niemand weiss, wie viele daran zugrunde gingen. «Ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit», urteilte die Uno im Jahr 2001.
Obwohl keine Kolonialmacht, profitierte auch die Schweiz vom lukrativen Menschenhandel. Das zeigt der Historiker Hans Fässler in seinem Buch «Reise in Schwarz-Weiss» auf. Fässler führt durch verschiedene Orte der Schweiz und nennt Fakten und Namen. Besonders St. Galler, Basler und Genfer Textilindustrielle und Banquiers verdienten mit. Auch Zürcher waren beteiligt, obwohl die Zwinglistadt damals wirtschaftlich noch hinterherhinkte. Ein im vergangenen August publizierter Bericht der Historikerin Béatrice Ziegler und des Historikers Konrad J. Kuhn nennt Beispiele von Sklavenhaltern. Der vom Zürcher Stadtrat aus der Schweiz verbannte Schaffhauser Johann Konrad Winz produzierte ums Jahr 1800 mit Sklaven Kaffee auf einer Plantage in Guyana. Auch der nach Brasilien ausgewanderte Zürcher Arzt Theodor von Muralt hatte einen Sklaven namens Benedito. Selbst Geistliche hielten sich ganz selbstverständlich ein paar Leibeigene wie etwa der ausgewanderte Zürcher Pfarrer Heinrich Grob in der holländischen Kolonie Surinam. Ausserdem waren Zürcher Militärs an der Niederschlagung von Sklavenaufständen in der Karibik beteiligt.
Dunkle Geschäfte
Am interessantesten ist der Fall der «Zinskommission Leu & Co.», einer Bank, die zur Hälfte der Stadt Zürich gehörte. Sie finanzierte 1760 durch eine Anleihe die wichtigen Sklavenumschlagsplätze in St. John, St. Croix und St. Thomas auf den dänischen Antillen mit. «Vieles bleibt aber im Dunkeln», heisst es im Bericht. Daran ist die Credit Suisse, Rechtsnachfolgerin der Zinskommission Leu & Co., mitschuldig. Denn Zugang zu den Akten gewährt die CS nur dem hauseigenen Archivdienst. Unabhängige Forscher werden abgewiesen. «Bankkundengeheimnis», heisst es auf Anfrage. Nach 250 Jahren? Für Hans Fässler eine skandalöse Begründung: «So wird die Aufklärung eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit verhindert.» Er fordert die Stadt Zürich auf, den Zugang zu den Dokumenten notfalls auf dem Rechtsweg zu erstreiten, denn die Akten gehörten zur Hälfte der Stadt. Im Zürcher Gemeinderat verlangt die Alternative Liste Verhandlungen mit der CS.
Fässler stört auch, dass die Bank voluminöse Werke über ihren Gründer Alfred Escher sowie ein 400-seitiges Portrait über Ex-CS-Boss Rainer E. Gut publiziert hat, für die Erforschung der Sklaverei aber kein Geld hat. «Kann es sich der Staat leisten, dass ein Akteur der schweizerischen Finanzoligarchie die Aufarbeitung unserer Geschichte verhindert?» fragt der Autor.
Auch der Bund mauert
Verschlossene Archive haben in der Schweiz allerdings Tradition. Die Historikerkommission Schweiz – Zweiter Weltkrieg kam nur per Gesetzesbeschluss in die Archive der Privatwirtschaft. Die UBS wollte gar heisse Akten über die nachrichtenlosen Vermögen vernichten. Der Wachmann Christoph Meili hat’s zum Glück verhindert. Auch der Bund selber mauert bei unangenehmen Themen. So zeigt der Bundesrat wenig Interesse an der Aufarbeitung dunkler Geschäfte mit dem Südafrika der Apartheid. Forscher stiessen bei ihren Recherchen oft auf verschlossene Türen. Auch hier gilt: Vieles bleibt im Dunkeln.
«Je weniger lang die Ereignisse zurückliegen, desto restriktiver ist der Aktenzugang», wissen Fachleute. Da nimmt sich die Geheimniskrämerei um zweihundert Jahre alte Sklavengeschäfte doch merkwürdig aus. Ziegler und Kuhn mutmassen, dass bei gezielten Nachforschungen unter Umständen weitere Verstrickungen ins Sklavengeschäft ans Licht kommen könnten. Der jetzige Forschungsstand sei als «sehr spärlich» zu bezeichnen.
Ralph Hug
Hans Fässler: Reise in Schwarz-Weiss. Schweizer Ortstermine in Sachen Sklaverei. Rotpunkt-Verlag, Zürich 2006, 340 Seiten, Fr. 36.–.
Bericht: Konrad Kuhn, Béatrice Ziegler-Witschi: Die Stadt Zürich und die Sklaverei. Verbindungen und Beziehungen. August 2007. Zu finden unter Suchwort «Sklaverei». auf: www.gemeinderat-zuerich.ch