Schwarz-weisse Sklavengeschichte

VPOD-Magazin, Zürich
Christoph Schlatter
September 2006

«Reise in Schwarz-weiss» nennt Hans Fässler sein neues Buch. Thema sind Sklavenhandel und Sklaverei – und deren Schweizer Profiteurinnen und Profiteure. In 19 Ortsterminen führt der Autor – zugleich Historiker, Mittelschullehrer, Kabarettist und vpod-Mitglied – von Ost (9400 Rorschach Hafen SG) nach West (1030 Bussigny-près-Lausanne VD) durch die Schweiz. In der Tat haben zwischen 1444 und 1888 auch hierzulande viele vom transatlantischen Sklavenhandel profitiert oder mitgeholfen, die Institution der Sklaverei aufrechtzuerhalten. Schweizer Söldner, in aller Welt beliebt, waren dabei, wenn es galt, Sklavenaufstände niederzuknüppeln. Die aufstrebenden Industrien, namentlich die Textil- und die Schokoladefabriken, machten ihr Geschäft mit Rohstoffen, die von Sklavinnen und Sklaven geerntet worden waren. Und auf zahlreiche Geistesgrössen früherer Jahrhunderte fällt wenig günstiges Licht, wenn Fässler aus ihren Einschätzungen des «Negers» zitiert. Zum Beispiel auf den Wissenschaftler Louis Agassiz (nach dem an der Grenze zwischen Bern und Wallis ein immerhin 3953 Meter hoher Berg benannt ist): Agassiz war ein führender Vertreter der Theorie der Polygenese – wonach die verschiedenen menschlichen «Rassen» zu unterschiedlicher Zeit an unterschiedlichem Ort entstanden seien und mithin nicht einer einzigen Menschheit angehörten. Fässler schildert – ein weiteres Beispiel aus der Fülle des Buches – die Geschichte eines gewissen Johann Baptist Gächter, geboren 1779 in Rorschach, Söldner in den Diensten Napoleons, der 1804 in der Karibik starb – wofür? «Aus Schweizer Sicht für die taktischen Interessen der helvetischen Regierung. Aus atlantischer Sicht für die Wiedereinführung der Sklaverei in den französischen Antillen-Kolonien.» Die Thesen Fässlers sind in der historischen Zunft nicht unumstritten. Namentlich lässt sich darüber debattieren, von welchem Zeitpunkt an die Sklaverei kein «honoriges Geschäft» mehr war, wann und wo man die aufklärerische Idee von der Gleichheit aller Menschen bei wem voraussetzen darf – und muss – und Sklavereiprofite mithin moralisch verurteilen kann – und soll. Doch Parteilichkeit hat Fässler bereits im Titel angedroht. (slt)

Hans Fässler. Reise in Schwarz-weiss. Schweizer Ortstermine in Sachen Sklaverei. Zürich (Rotpunktverlag) 2005, 337 Seiten, 36 Franken.