Der Globus und die Sklaverei
Historiker Hans Fässler spricht über die Schweizer Verflechtung in den Sklavenhandel

Der St. Galler Globus ist leihweise aus Zürich in die Stiftsbibliothek zurückgekehrt. Die Ausstellung mit ihm ist am Freitag eröffnet worden. Einen Kontrapunkt dazu setzte am Freitag Hans Fässler in einem Vortrag im CaBi.

CLAUDIA SCHMID

Hans Fässler hat die Verstrickung der Schweiz in den Sklavenhandel aufgearbeitet. In seinem Buch «Reise in Schwarz-Weiss – Ortstermine in Sachen Sklaverei» zeigt er auf, wie Schweizer Firmen am transatlantischen Handel mit Menschen kräftig mitverdient haben. An einer Veranstaltung im Antirassismustreff CaBi im Linsebühl stellte er den Inhalt seines Buches vor. Er sprach aber auch über die Bedeutung eines Globus und zog vor allem den Schluss, dass die Beilegung des Kulturgüterstreits zwischen St. Gallen und Zürich Vorbild für die Aufarbeitung und Wiedergutmachung der Sklaverei sein könnte.
Handel und Ideologie

Hans Fässler hat in vielen Ecken der Schweiz Spuren der Verwicklung in den Sklavenhandel gefunden. Firmen aus St. Gallen, dem Thurgau, Basel, Genf und Waadt importierten von Sklaven produzierten Kaffee, Zucker, Kakao, Baumwolle und Textilfarbstoffe. Ein ozeanübergreifendes, komplexes Wirtschaftssystem habe vom 17. bis ins 19. Jahrhundert die Entwicklung Europas mitgeprägt. Schweizer Bankiers, Geschäftsleute, Plantagenbesitzer und Auswanderer hätten Wohlstand und Reichtum auf der Verschleppung und der Ausbeutung von Sklaven begründet.

Doch nicht nur der direkte Handel habe den Sklavenhandel begünstigt. «Es brauchte dazu eine entsprechende Ideologie, die man aufrecht erhalten wollte», betonte Fässler. Auch in diesem Punkt habe die Schweiz ihre Beiträge geleistet. So hätten sich einige Wissenschafter daran gemacht, mit oft seltsamen Methoden zu beweisen, dass Schwarze weniger wert seien als Weisse.


Globen und Machtanspruch

Einen zweiten Teil seines Referats widmete der Historiker dem St. Galler «Erd- und Himmelsglobus» aus dem 16. Jahrhundert, der 1712 von Zürcher Truppen zusammen mit wertvollen Handschriften aus dem Kloster St. Gallen gestohlen wurde. Globen hätten eine ganz spezielle Bedeutung, erklärte Hans Fässler. Er zeigte als Beispiel eine aus dem 16. Jahrhundert stammende Abbildung Königin Elisabeths, die ihre Hand auf einen Globus gelegt hat. «Globen sind Prestigeobjekte. Sie sind Symbol für die Eroberung der Welt, für den Kolonialismus.»

Es sei auch kein Zufall, dass frühere Kartografen die Welt verzerrt dargestellt hätten. Europa stehe jeweils im Mittelpunkt und sei im Verhältnis viel zu gross geraten. Unter diesem Aspekt sei es nicht verwunderlich, dass die Zürcher ausgerechnet den Globus gestohlen hätten und ihn nicht mehr zurückgeben wollten. «Er repräsentiert die Welt.»


Zu weit zurück?

Seine Forderung nach Wiedergutmachung sei immer wieder auf taube Ohren gestossen, betonte Hans Fässler weiter. Der Sklavenhandel liege zu weit zurück und man könne nicht alles Unrecht der Welt sühnen, lauteten die Argumente. «Die gleichen politischen Kreise haben aber mit viel Einsatz und einer halben Million Franken erreicht, dass ein Teil des Raubguts von Zürich nach St. Gallen zurückkehrt.»

Die Einigung im Konflikt zwischen den beiden Kantonen erachte er geradezu als Schulbeispiel für Wiedergutmachung. «Deshalb bin ich sehr dafür, dass wir den Globus freundlich und friedlich empfangen.» Denselben Einsatz wünsche er sich nun auch für die Aufarbeitung der Schweizer Beteiligung am Sklavenhandel.