Sitzung des Zürcher Gemeinderats

Lokalpolitiker auf den Spuren von Sklavenhändlern

Die Credit Suisse soll Archivbestände der historischen Forschung zugänglich machen

tox. Der Gemeinderat hat am Mittwoch fast eine Stunde lang über Geschichtsforschung debattiert. Schliesslich erteilte er dem Stadtrat gegen die Stimmen von SVP, FDP, CVP und SD mit einem Postulat einen Auftrag: Er soll prüfen, wie er auf die Credit Suisse einwirken kann, damit sie bestimmte Archivbestände der historischen Forschung öffnet. Dabei geht es nicht etwa um den Zweiten Weltkrieg, sondern um allfällige Verstrickungen der Stadt Zürich oder ihrer Bürger in den Sklavenhandel im 18. Jahrhundert. Seit die Uno im Jahr 2001 die Sklaverei als Verbrechen gegen die Menschlichkeit einstufte, hat sich das Interesse am Thema weltweit erhöht. Dabei geht es auch um Fragen der Wiedergutmachung. Sprecher von SP, GP, AL und EVP zeigten sich überzeugt, dass es dem Image der Stadt zuträglich sei, diese Schatten der Vergangenheit aufzuarbeiten.

Auf ein früheres Postulat von Renate Schoch (al.) hin legte der Stadtrat dem Gemeinderat einen kurzen wissenschaftlichen Bericht vor, in dem die bisherigen Forschungsergebnisse zusammengefasst sind. Daraus lassen sich nur marginale Bezüge der Limmatstadt zum Sklavenhandel ablesen. Allerdings weisen die Autoren darauf hin, dass ein wichtiger Quellenbestand, der sich im Privatarchiv der Credit Suisse befinde, bisher gar nicht habe konsultiert werden können.

Für die Alternative Liste, der das Thema offenbar ein Herzensanliegen ist, war dies Anlass genug für ein neues Postulat: Der Stadtrat solle die Bank auffordern, die betreffenden Bank-Leu-Akten unabhängigen Historikern zugänglich zu machen, fordert Anja Recher (al.). Dabei geht es um die damalige halbstaatliche Zinskommission Leu & Co., die im Überseegeschäft tätig war. Die Grossbank hatte sich geweigert, Einsicht zu gewähren – mit der etwas eigenartigen Begründung, das Bankkundengeheimnis sei zu wahren. Vertreter der Bürgerlichen wehrten sich, der Stadtrat sei kein verlängerter Arm des historischen Seminars, und verteidigten das Bankgeheimnis. Auch reichten die Verfehlungen, an denen die Stadt womöglich beteiligt gewesen sein könnte, von den Kreuzzügen über die Inquisition bis zum Frauenhandel. «Wo bleiben da Ihre Postulate für eine wissenschaftliche Aufarbeitung?», fragte Josef Widler (cvp.) die Linke. Stadtpräsident Elmar Ledergerber war ebenfalls überzeugt, die Stadt habe mit dem Bericht ihre Pflicht erfüllt. Alles weitere sei die Aufgabe der Wissenschaft, die auch direkt an die CS gelangen könne. Seine Argumente fanden kein Gehör: Der Rat überwies den Vorstoss mit 67 zu 55 Stimmen.