Keine Debatte mit den Kritikern

Nestbeschmutzer oder ernsthafter Historiker? Der angegriffene Hans Fässler lud vergeblich zum Streitgespräch

st. gallen. Die Polemik um den Kantonsbeitrag für das Buch des St. Gallers Hans Fässler über die Schweizer Nutzniesser der Sklaverei setzt sich eineinhalb Jahre nach dem Entscheid des Parlaments fort. Der Autor forderte die Kritiker mehrmals zur öffentlichen Debatte auf – ohne Erfolg.

andreas kneubühler

Schon der Kantonsbeitrag aus dem Lotteriefonds hatte für heftige Diskussionen gesorgt. FDP und SVP wollten keine Gelder für das Buchprojekt des früheren SP-Kantonsrats und Historikers Hans Fässler bewilligen. Auf Antrag der SVP empfahl die Finanzkommission die Ablehnung. Die Forschung über die Beteiligung an der Sklaverei sei «ein gesuchtes und völlig nebensächliches Thema ohne Bezug zum Kanton St. Gallen». FDP-Präsident Marc Mächler warnte vor Sammelklagen.

Parlament war für Buchprojekt

Anders sah dies die Mehrheit im Kantonsrat, die im Juni 2004 die 15 000 Franken für das Buch bewilligte – wenn auch knapp mit 90 gegen 83 Stimmen. Die Polemik um das Buchprojekt war nach dem Entscheid allerdings noch nicht zu Ende, sondern wurde in den Leserbriefspalten weiter geschürt. Wiederholt meldete sich etwa SVP-Kantonsrat Roland Büchel (Oberriet) zu Wort und fuhr schweres Geschütz auf: «Der Autor zockte ab und sackte ein», schrieb er im SVP-Parteiblatt «impuls». Fässler habe nicht nur beim Kanton St. Gallen, sondern auch bei Pro Helvetia «die hohle Hand» gemacht und der eigentliche Zweck des Buches sei gewesen, «uns Schweizer, speziell uns Ostschweizer, fertig zu machen», unterstellte er. Den Autor des Vorworts, den ehemaligen Aussenminister von Haiti, schilderte Büchel als korrupten Politiker. «Heute lässt er es sich in den USA gut gehen. Mit Unterstützungsgeldern, die für das hungernde Volk bestimmt waren?», suggerierte Büchel.

Für SVP kein Thema

Hans Fässler reagierte auf die Attacken mit dem Angebot einer Podiumsdiskussion. «Sie können sogar die Moderatorin oder den Moderator selber bestimmen», schrieb er in einem Leserbrief. «Mein Ziel war es, die happigen Angriffe in der Öffentlichkeit richtig stellen zu können», begründet Fässler. Es wäre auch interessant gewesen, von der FDP zu hören, ob sich die Kritikpunkte bestätigt hätten, so der streitbare Historiker. Doch es wird kein Podium geben. SVP-Präsident Toni Brunner habe etwa ausrichten lassen, dass dies für die Partei kein Thema sei. «Die Debatte wurde verweigert», bedauert Fässler.

«Ich weiss zu wenig»

Wieso eigentlich? FDP-Präsident Marc Mächler hatte mit Hans Fässler Kontakt. «Ich habe ihm erklärt, dass wir uns nicht auf einem Podium zum Inhalt des Buches äussern wollen», sagt Mächler. «Das müsste ein anderer Historiker machen, ich selber weiss zu wenig darüber.» Die Kritik der FDP habe auch eine andere Stossrichtung gehabt. «Es ging darum, dass das Thema keinen Bezug zum Kanton St. Gallen hatte.»

Muss er die Kritik nun revidieren? Er habe «zur Kenntnis genommen», dass im Buch Beispiele aus dem Kanton St. Gallen geschildert würden, räumt Mächler ein. Um diese aber wirklich beurteilen zu können, hätte er das Buch lesen müssen. «Aber ich habe es nur durchgeblättert», so Mächler.
Bereits in zweiter Auflage

Und Roland Büchel? Er führt als Grund Terminprobleme ins Feld. Als Sportmanager sei er am Africa Cup und nun in Turin beschäftigt. Kapazitäten gebe es erst wieder im März, das habe er Hans Fässler mitgeteilt. «Das wäre schnell Mai oder Juni geworden», vermutet Hans Fässler. Er sei mit Roland Büchel, der momentan auch privat stark belastet sei, übereingekommen, die Sache vorläufig auf sich beruhen zu lassen. Die Anwürfe seien schliesslich bereits im Dezember veröffentlicht worden. «Das zieht sich sonst zu lange hin.» Fässler weist darauf hin, dass er weitere öffentliche Lesungen abhalte, unter anderem an der Universität St. Gallen und dass sein Buch in wenigen Tagen bereits in einer zweiten Auflage erscheinen wird.