Ausgewählt von Maja Wyss
«Nothwendiges Übel»

Wie die Schweizer Eliten im 19. Jahrhundert am Sklavenhandel verdienten.

"Gegen Abend landeten wir auf der Arkansasseite an einer Plantage, wo die Herrin mit einigen ihrer Sklaven am Ufer stand, dieSchwarzen waren in weissen Drill gekleidet; Sklaverei & Republikanismus, welche gewaltigen Gegensätze; - aber die Griechen & Römer hatten ebenfalls Sklaven; - ein nothwendiges Übel; so unglücklich, wie man es sich bei uns in Europa vorstellt, sind sie übrigens nicht, & so viel ich bis jetzt sehen konnte, waren die meisten wohlauf & sahen vergnügt in die Welt hinein."

Das schreibt der Zürcher Industriellensohn Adolf Guyer am 5. November 1860 aus dem Sklavenstaat Arkansas. Prägnanter lässt sich die Haltung der Schweizer im Sklavenhandel nicht umschreiben. Der St. Galler Kabarettist und Buchautor Hans Fässler zeigt in seinem jüngsten Werk «Reise in Schwarz-Weiss - Schweizer Ortstermine in Sachen Sklaverei» die Haltung der halbaristokratischen und grossbürgerlichen Schweizer Elite des 18. und 19. Jahrhunderts. Diese konnte sich eine Wirtschaft ohne die «Ware» Mensch gar nicht vorstellen, auch wenn viele spürten, dass Sklaverei und Demokratie kaum miteinander vereinbar waren.

Fässlers Buch ist bereits das dritte Werk aus jüngerer Zeit zur Schweizer Sklavereigeschichte. Historiker in Basel und in der Westschweiz haben sich vor allem mit der allgemeinen Verflechtung der Schweizer Wirtschaft mit dem internationalen Sklavenhandel befasst. Fässler beschreibt nun die Akteure, die von der Schweiz aus oder als Handelsreisende, Plantagenbesitzer und Soldaten im Kampf gegen Sklavereiaufstände eine wichtige Rolle gespielt haben. Eindrücklich demonstriert Fässler die Verdrängungsleistung der Eidgenossen: Zwar hatten die wenigsten in ihren Handelskontoren je einen Schwarzen gesehen oder sich damit befasst, wie viel Leid sie diesen zufügten, wenn sie sie im Dreieckshandel zwischen Europa, Afrika und den beiden Amerika verfrachten liessen. Für die gleichen Eidgenossen war das Rütlilied allgegenwärtig:

«Gepriesen sei, friedliche Stätte, / Gegrüsset, du heiliges Land, / Wo sprengten der Sklaverei Kette / Die Väter mit mächtiger Hand.»

Fässlers Grundton ist unversöhnlich. Dennoch schafft er es, das Verhältnis der Schweizer Elite jener Zeit zur Sklaverei so zu zeichnen, dass weit mehr als eine trockene historische Protokollierung entsteht.