Wunden der Sklaverei heilen

Ökumenischer Gottesdienst zum Suppentag

speicher. «Menschenrechte fordern Wiedergutmachung» war das Thema des ökumenischen Gottesdienstes zum Suppentag, der von Pfarrerin Doris Brodbeck und dem Historiker Hans Fässler gestaltet wurde.

Die römisch-katholische Pfarrei Speicher-Trogen-Wald und die Evangelische Kirchgemeinde Trogen waren dieses Jahr in der evangelischen Kirche Speicher zu Gast. Das Motto der Fastenopfer- und Brot-für-alle-Kampagne heisst heuer «Wir glauben. Menschenrechte fordern Einsatz.» Ein zukunftsgerichteter Gedanke, der allerdings zuerst ein Zurückschauen verlangt, einen Blick zurück in die Zeit der Sklaverei. Über 400 Jahre lang dauerte die Zwangsdeportation von 15 Millionen afrikanischen Männern, Frauen und Kindern in die Neue Welt. Die schwarzen Sklavinnen und Sklaven waren mit der Regelung des Code Noir von 1685 bis 1848 in den französischen Kolonien keine Menschen, sondern «Meubles», bewegliche Güter.

John Newton, ein englischer Sklavenhändler, bekehrte sich Mitte des 18. Jahrhunderts nach einer bedrohlichen Überfahrt zum Christentum, gab den Sklavenhandel auf und wurde anglikanischer Pfarrer.

Nicht lange her

Die Abschaffung der Sklaverei brauchte mehr als 100 Jahre; 1888 geschah dies in Brasilien. «Ist das nun lange her?», fragte sich Hans Fässler. Seine Antwort erstaunte. Er habe einen Freund und Lehrerkollegen, der mit einer Brasilianerin verheiratet ist. Diese erzählte ihm von ihrer Grossmutter, die noch als Sklavin zur Welt gekommen sei. Ihre Schilderungen seien derart intensiv und lebendig gewesen, dass man glaubte, es sei gerade eben passiert. Mit der Abschaffung der Sklavereigesetze ist es aber mit den Menschenunrechten noch nicht vorbei.

Wie kann man Unrecht wiedergutmachen, Wunden heilen, Versöhnung herbeiführen? Hans Fässler gab auf diese Frage drei Antworten. Zuerst müsse gemeinsam mit den Betroffenen oder ihren Nachfahren die Vergangenheit aufgearbeitet werden. Eine Schuldanerkennung, eine Entschuldigung, die Übernahme von Verantwortung sei dann der nächste Schritt. In einem Konflikt von der Dimension der transatlantischen Sklaverei sei es ungleich schwieriger, die richtige Form, den richtigen Absender und den richtigen Adressaten zu finden. Der dritte Schritt in diesem Versöhnungsprozess werde noch schwieriger zu gehen sein, handle es sich doch um die Frage, wer wem gegenüber wie viel und welche Art von Wiedergutmachung leiste.

Frauenhandel ist Sklaverei

Eine heutige Form der Sklaverei sei der Frauenhandel, meinte Pfarrerin Doris Brodbeck. Zwei Speicherer Teilnehmerinnen der Appenzeller Lesekampagne zum Krimi «Fremde Hände» gedachten in Gebeten der Frauen, die zwecks Prostitution und Hausarbeit verkauft, gedemütigt und gefangen gehalten werden.

Nach dem Gottesdienst traf man sich im Buchensaal zu einem Suppenzmittag zugunsten von Hilfsprojekten in Haiti. (pd)