Sehr geehrter Herr Fässler

Da ich nicht mehr Präsident des Berner Bergführerverbandes bin, habe ich Schreiben an den neuen Präsidenten, Markus Weber in Brienz, weitergeleitet.

Ich antworte Ihnen aber gerne als Privatperson, Bergführer, ehemaliger Sektionspräsident und historisch interessierter Bergsteiger:

Ich habe grosses Verständnis für Ihr Anliegen. Ich finde es nicht richtig, wenn (z.B. vom Bundesrat!) argumentiert wird, die grossen wissenschaftlichen Leistungen von Agassiz blieben bestehen und dürften nicht gegen seine rassistische Haltung in die Waagschale gelegt werden. In der Umkehrung heisst das für mich, dass jemand, der in irgend einem Bereich anerkannt grosse Leistungen erbringt, sich in einem andern Bereich etwas Verabscheuungswürdiges erlauben darf.

Mit Ihrer Kampagne haben Sie meiner Meinung nach schon viel erreicht. Es wird darüber gesprochen und geschrieben. Die Idee eines Namenswechsels verstehe ich, glaube aber, dass sie sich nicht durchsetzen lässt. Es interessiert zu wenig Leute, die Leute sind solchen Themen gegenüber leider gleichgültig und wollen sich nicht exponieren. (Anderes Beispiel: Rehabilitation von Anna Göldin). Ich finde sogar, wenn das Agassizhorn seinen Namen behält, kann es als Mahnmal dienen, mehr bewirken und an "die andere Seite" von Louis Agassiz erinnern.

Publikationen, vor allem auch im Organ des SAC, könnten da noch etwas nachhelfen. Überhaupt finde ich, dass der SAC hier eine gewisse Verantwortung hat und beispielsweise im offiziellen Führer Berner Alpen 4 bei der Erwähnung des Namengebers (Agassiz war ja nicht Erstbesteiger) einen entsprechenden Hinweis einfügen könnte. Z.B. "Den wissenschaftlichen Leistungen Agassiz' stehen seine verachtenswürdigen Aktivitäten als Rassist und Vordenker der Apartheid gegenüber." Oder in Anlehnung an den bestehenden Text: "Nach dem Gletscherforscher, Rassisten und Vordenker der Apartheid Louis Agassiz benannt". Das würde ich mutig finden vom SAC.

Noch zum Argument, dass eine Umbenennung eine Verunsicherung z.b. in Bergführerkreisen zur Folge hätte: Das ist lächerlich. Das Agassizhorn steht klar im Schatten des Finsteraarhorns und wird auch nicht so oft bestiegen. Verwechslungsmöglichkeiten gibt es meiner Meinung nach kaum.

Berggipfel nach Namen von Persönlichkeiten zu benennen, finde ich persönlich übrigens grundsätzlich heikel. Mein Vorschlag würde deshalb heissen: Klein Finsteraarhorn anstatt Agassizhorn!

Freundliche Grüsse

Marco Bomio, Grindelwald