Berner Zeitung BZ, 20. August 2010

Der «Schandberg» bleibt

Das Agassizhorn trage den Namen eines Rassisten und müsse umbenannt werden, forderten 2500 Personen. Ohne Erfolg.

«Das Agassizhorn (3953 m ü. M.) ist ein Berg in den Berner Alpen in der Verlängerung des Nordwestgrats des Finsteraarhorns», lehrt das Lexikon. Und: Es ist nach dem berühmten Schweizer Forscher Louis Agassiz (1807–1873) benannt. Dass Agassiz jedoch nicht nur ein bedeutender Glaziologe, sondern auch ein bedeutender Rassist und Vordenker der Apartheid war, liest man nur in wenigen Nachschlagewerken. Doch Historiker Hans Fässler weiss: «Er hat eine rassistische Rangfolge der Menschheit entwickelt und sogar die Frage aufgeworfen, ob Schwarze überhaupt Teil der Menschheit seien.» Darum lancierte Fässler 2007 eine Petition zur Umbenennung des Alpengipfels in Rentyhorn – nach dem kongolesischen Sklaven Renty, den Agassiz als «Beweis der Minderwertigkeit der schwarzen Rasse» fotografieren liess. 2500 Leute unterschrieben das Bittschreiben, in der Hoffnung, dass der «Schandberg» von der Schweizer Karte verschwinden möge. Tut er aber nicht. «Die drei Gemeinden, die sich das Agassizhorn teilen (Grindelwald BE, Guttannen BE und Fieschtal VS), haben unsere Bitte einstimmig abgelehnt», sagte Fässler gestern auf Anfrage. Der Name habe schon 167 Jahre Bestand, und so solle es auch bleiben. «Ein Umtaufen würde hohe Kosten verursachen (Anpassung Landeskarten) und zu einer allgemeinen Verunsicherung in der bekannten Namensgebung (Hüttenbücher) verursachen», beschied man Fässler aus dem Oberland. Zuletzt, so heisst es zynisch, fordere noch jemand die Neubenennung des Mönchs, weil der die Jungfrau lüstern anstarre.
pas /

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20. August 2010

Agassizhorn behält seinen Namen


Das Agassizhorn im Unesco-Weltnaturerbe Jungfrau-Aletsch-Bietschhorn bleibt nach dem Schweizer Rassentheoretiker Louis Agassiz benannt. Die beiden Berner Gemeinden Grindelwald und Guttannen sowie Fieschertal im Kanton Wallis haben eine Petition zur Umbenennung des Gipfels abgelehnt.

Die Ablehnung der Petition ist keine Überraschung, hatten doch die drei Gemeinden seit der Lancierung 2007 klar gemacht, dass sie nicht zu einer Namensänderung bereit seien. Vor drei Jahren war der 200. Geburtstag des Schweizer Naturforschers (1807–1873).

Die Petition des Komitees "Démonter Louis Agassiz" war von über 2600 Menschen aus der ganzen Welt unterschrieben worden. Sie forderten, dass der 3953 Meter hohe Gipfel auf der alpinen Kantonsgrenze von Bern und Wallis neu Renty heissen soll – benannt nach einem kongolesischen Sklaven.

Vertreter des Komitees zeigten sich über die Ablehnung enttäuscht. Doch sie akzeptierten "diesen demokratisch gefällten Entscheid", schrieben sie in einer Mitteilung.

Sie wollen nun eine Idee wieder aufgreifen, die am runden Tisch mit Vertretern der Berner Oberländer Gemeindebehörden aufgetaucht war: Eine Ausstellung im Heimatmuseum von Grindelwald soll der Öffentlichkeit die dunkle Seite des bekannten Glaziologen Louis Agassiz aus dem 19. Jahrhundert näherbringen.

Er war allerdings auch Rassentheoretiker und gilt insbesondere in rechtsstehenden Kreisen als Vater des wissenschaftlichen Rassismus und der Apartheid.

Agassiz kam 1807 in Môtier im Kanton Freiburg zur Welt und wanderte später in die USA aus. Der Zoologe und Glaziologe hatte sich vor allem mit Eiszeitstudien einen Namen gemacht.

2007 verurteilte der Bundesrat in einer Antwort auf eine Interpellation das "rassistische Denken" Agassiz', sah aber keinen Grund, den nach ihm benannten Berg umzutaufen.

swissinfo.ch und Agenturen

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http://www.1815.ch, 20. August 2010

Bittschrift abgelehnt

Kein neuer Namen für «Rassistisches» Agassizhorn

2007 wurde vorgeschlagen, den Berg in Rentyhorn umzubenennen. Im Kanton Bern bleibt das Agassizhorn nach seinem Entdecker benannt - dem Wissenschafter und Rassentheoretiker Louis Agassiz, wie das Schweizer Radio DRS auf seinem Onlineportal berichtet.

Die Gemeinden Grindelwald und Guttannen im Berner Oberland und Fieschertal im Wallis haben eine Bittschrift von 2'500 Personen aus aller Welt abgelehnt, wie die Nachrichtenredaktion SF DRS auf ihrer Webseite schreibt. Die Bittsteller hätten verlangt, dass das Agassizhorn umbenannt werden soll, weil sein Name an den Vordenker der Apartheid erinnere. Agassiz habe eine Politik der Rassentrennung unter der weissen Vorherrschaft in Südafrika propagiert. Das Komitee hatte seit 2007 einen Namenswechsel gefordert und habe sich über die Ablehnung enttäuscht gezeigt.

Hohe Kosten

Wie der Historiker Hans Fässler gegenüber dem «Thuner Tagblatt» erklärt, hätten die drei Gemeinden argumentiert, dass das «Schandhorn» schon seit 167 Jahren Bestand habe und es auch so bleiben soll. Ein Umtaufen würde hohe Kosten verursachen und zu einer allgemeinen Verunsicherung in der bekannten Namensgebung führen, habe man Fässler beschieden. Es habe am Schluss zynisch geheissen, dass jemand plötzlich eine Neubenennung des Mönchs fordere, weil dieser die Jungfrau lüstern ansehe.

Das Komittee akzeptiere aber «diesen demokratisch gefällten Entscheid». Nun wolle es eine Idee wieder aufgreifen, die am runden Tisch mit Vertretern des Komitees und den Berner Oberländer Gemeindebehörden aufgetaucht sei: Eine Ausstellung im Heimatmuseum von Grindelwald solle der Öffentlichkeit die dunkle von Seite Agassiz näherbringen, wie DRS weiter schreibt.

Denkweise verurteilt
Louis Agassiz, der vor allem für seine Gletscherforschungen bekannt ist, war in den 1840er Jahren bei seinen Forschungen auch in den Berner Alpen unterwegs. In jüngster Zeit wird auch dessen Rolle als Rassentheoretiker diskutiert und sein rassistisches Denken verurteilt. Deshalb wurde im Jahr 2007 auch vorgeschlagen, den Berg in Rentyhorn umzubenennen.

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SFDRS, 20. August 2010

Agassizhorn behält seinen Namen

Das Agassizhorn bleibt nach dem Rassentheoretiker Louis Agassiz benannt. Die drei Gemeinden Grindelwald BE, Guttannen BE und Fieschertal VS haben eine Petition zur Umbenennung des Gipfels abgelehnt, wie das Komitee "Démonter Louis Agassiz" mitteilte.

Rund 2500 Menschen aus der ganzen Welt hätten die Petition unterschrieben, heisst es in der Mitteilung. Sie wollten den Berg umbenennen, weil er an den Zoologen und Glaziologen Louis Agassiz erinnert, der auch als Rassentheoretiker und Vordenker der Apartheid gilt. Das Komitee hatte seit 2007 einen Namenswechsel gefordert und zeigt sich über die Ablehnung enttäuscht. Doch es akzeptiere "diesen demokratisch gefällten Entscheid". Nun will es eine Idee wieder aufgreifen, die am runden Tisch mit Vertretern des Komitees und den Berner Oberländer Gemeindebehörden aufgetaucht war: Eine Ausstellung im Heimatmuseum von Grindelwald soll der Öffentlichkeit die dunkle Seite Agassiz' näherbringen.

Louis Agassiz kam 1807 in Môtier FR zur Welt und wanderte später in die USA aus. Der Zoologe und Glaziologe hatte sich insbesondere mit Eiszeitstudien einen Namen gemacht. (sda)

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Kommentar im "Berner Bund" (23. August 2010)

Aufarbeiten, nicht umbenennen


von Markus Dütschler

Wenn Universitäten, Kasernen, Strassen oder sogar Berge nach Menschen benannt werden, taucht später oft ein Problem auf: Der Namensgeber fällt wegen eines Regimewechsels in Ungnade oder es tauchen dunkle Flecken in seiner Biografie auf, deretwegen die Nennung nicht mehr als opportun gilt. Ein Wirbel wird veranstaltet, bei dem oft nicht das hehre Anliegen im Zentrum steht, vielmehr soll Wasser auf die Mühle politischer Aktivisten gelenkt werden. Der Umbenennungsinitiant Hans Fässler gilt im Kanton St. Gallen diesbezüglich seit Jahrzehnten als feste Grösse. Es ist sonnenklar, dass ein Hitler-Denkmal oder eine Stalin-Allee untragbar sind. Doch der Fall Agassizhorn spielt nicht in dieser Liga. Von Louis Agassiz sind neben wichtigen wissenschaftlichen Arbeiten auch Äusserungen überliefert, die heute problematisch und unverständlich wirken. Das ist bei vielen Persönlichkeiten so: Sie waren dem Zeitgeist verhaftet und verrannten sich – man denke an Martin Luthers rabiaten Antisemitismus. An uns ist es, Licht und Schatten von Persönlichkeiten möglichst objektiv zu würdigen. Die «Umbenamserei» – man denke nur an das aktuelle Beispiel des Hotels zum Mohren in Huttwil – ist billiger Aktivismus, der zu gar nichts führt.