Anzeiger, Nr. 12/ 20. März 2001

Trotz Nuntius keine Flagge

Der Kabarettist Hans Fässler scheute keine
Mühe: Um auf der Kathedrale doch noch eine
Flagge für sein Kabarett zum St. Galler
Kantonsjubiläum hissen zu dürfen, wandte er
sich gar an den Nuntius - vergebens.

cla. Auch "Sua Eccellenza il Nunzio
Apostolico De Nicoò Mons. Giacomo" hats
nicht richten ksnnen: Weil Bischof Ivo Fürer
das Gesuch des St. Galler Kabarettisten und
Mittelschullehrers Hans Fässler um
kurzzeitige Beflaggung der Kathedrale mit der
französischen Trikolore zum Zwecke der
fotografischen Ablichtung abgelehnt hat,
wandte sich Fässler flugs brieflich an den
apostolischen Nuntius in Bern mit der Bitte,
er möge auf den St. Galler Bischof einwirken,
damit der auf seinen Entscheid zurückkomme.

Wie nun dem Antwortschreiben des Nuntius an
Fässler zu entnehmen ist, ist jener zwar bei
Bischof Fürer in der Sache vorstellig
geworden, einen Entscheid im Sinne des
Kabarettisten konnte er gleichwohl nicht
erwirken: Der Bischof, hiess es letzte Woche
aus seiner Umgebung, sehe keine Möglichkeit,
auf seinen nach reiflicher Ueberlegung
gefassten Entscheid zurückzukommen. Er wolle
keinen Präzedenzfall schaffen. Mehr als den
Bischof darauf ansprechen konnte der Nuntius
ohnehin nicht, denn der von Fässler
provozierte kirchliche Flaggen-Entscheid
fällt in die alleinige Kompetenz des
Bischofs, wie der Nuntius Fässler in seinem
Antwortschreiben erklärt.
Ob der Fall Beflaggung der Kathedrale damit
auch für Fässler abgeschlossen ist, weiss
zurzeit niemand so genau. Der Kabarettist
selber hüllt sich in Schweigen. Unternimmt er
nun den Versuch, den Papst in einer
Privataudienz zu überzeugen, sich für ihn
beim St. Galler Bischof einzusetzen?

Dass Fässlers schon seit Monaten andauernde
Flaggen-Korrespondenz wohl auf irgendeine Art
Teil seines für das Kantonsjubiläum geplanten
Kabarett-Programms ist, hat man hier
inzwischen begriffen. Der Kabarettist gibt
vor, kurzzeitig auf der Kathedrale die
Trikolore, auf dem Regierungsgebäude die
Sowjetflagge und auf dem Rathaus die EU-Fahne
hissen zu wollen, um Fotos zur Visualisierung
des Programms, an dem er mit den Musikern
Willi Häne und Fabio Pasqualini arbeitet,
schiessen zu wollen. Ginge es wirklich nur um
die Visualisierung, wäre das Problem
eigentlich keines: Der heutige Stand der
Technik in diesem Bereich erlaubt perfekte
Fotomontagen.

Weil Fässler aber darauf beharrt, ohne
Fotomontagen zu arbeiten und stattdessen das
fremde Fahnentuch tatsächlich auf den
erwShnten GebSuden anzubringen und dann zu
fotografieren, braucht er allerhand
Bewilligungen, um die er sich mittels
schriftlich eingereichter Gesuche bemüht. Die
daraus entstandene Korrespondenz, die Fässler
inzwischen nicht nur mit kirchlichen und
weltlichen Autoritäten im Kanton St. Gallen,
sondern auch mit zuständigen Stellen bei der
EU und der UNO in New York geführt hat und
noch führt, hat ihrerseits beste
Kabarett-Qualität: Da geht es dann plötzlich
um die Würde des Stiftsbezirks, und die St.
Galler Kantonsregierung muss sich auf Grund
eines parlamentarischen Vorstosses damit
quälen, diese Würde näher zu definieren. Oder
es zeigt sich, dass der Direktor des Büros
für juristische Angelegenheiten bei der UNO
in New York den Begriff "Kabarett" mit dem
englischen "Cabaret" gleichsetzt und etwas
indigniert die Verwendung der UNO-Flagge für
einen solchen Anlass verweigert &Mac220; was Fässler
wiederum Gelegenheit gibt, dem Direktor in
einem Wiedererwägungsgesuch wortreich zu
erklären, was Kabarett im deutschsprachigen
Raum ist und was es soll. Fässlers
Flaggen-Korrespondenz hat also hohen
Unterhaltungswert.

Ob er nun also, um den St. Galler Bischof
doch noch umzustimmen, um die Hilfe des
Heiligen Vaters nachsucht? Möglich ist das
schon...