Tagblatt vom 26.9.2000, Ostschweiz Nur ein wenig Flagge zeigen Die erste Anfrage erschien harmlos: Hans Fässler, Mitinitiant eines satirischen Kabarettprogramms für das St. Galler Kantonsjubiläum 2003, möchte gerne an der Klosterkirche die Trikolore hissen - zur fotografischen Illustration eines Programmteils. Schliesslich soll das Stück "L'Ouverture stirbt 1803" heissen, und schon der helvetische Regierungskommissar Erlacher hatte die Trikolore von den Türmen der Klosterkirche wehen lassen. Doch Bischof und Administrationsrat lehnten solche Nachstellung der Geschichte ab. Das würde für "derartige Wünsche verschiedenster Art" einen Präzendenzfall schaffen, wurde Fässler beschieden. Der Erzfeind im Heiligtum Die zweite Anfrage war etwas brisanter: Fässler, SP-Kantonsrat von 1984 bis 1994, mschte die einst etwas übertriebene Angst vor der russischen Grossmacht geistreich verspotten. Deshalb sollte die Flagge der Sowjetunion am Mast des Regierungsgebäudes wehen. Jahrelang wurde, auch noch den Jüngeren unter uns, die "rote Gefahr" indoktriniert. Und jetzt soll die Fahne mit Hammer und Sichel just im historischen Heiligtum des Kantons aufgezogen werden ? Na ja, nur für zehn Minuten, am Vormittag, wenns klirrend kalt ist, der Platz menschenleer. Der Staatssekretär und die Chefin des Departements für Inneres und Militär hatten kein Einsehen. Es fehle der Bezug zur Kantonsgründung; es gehe um die Würde des Weltkulturerbes. Die Korrespondenz zwischen Fässler und den Instanzen erhielt den Umfang einer kleinen Staatsaffäre. Fässler stellte die Frage, welches der grössere Eingriff in die "Würde des Stiftsbezirks" bedeute: eine zehnminütige Inszenierung zwecks Fotoaufnahme für ein "kleines, aber linkes Kabarettprogramm" oder die Verpflichtung zu "theatralischen, musikalischen und multimedialen Aktivitäten", eingegangen mit der "Classic Events AG". Oder die Landung eines Helikopters im Klosterhof, dem eine Schauspieler-Figur namens Napoleon entstieg (Film "Das Geschenk" zu 700 Jahre Eidgenossenschaft), usw? Kantonsrat Heinz Brunner verfasste gar eine Interpellation zum Thema. Vorschlag zur Bildmontage Gar so bitter ernst ist den Beteiligten allerdings nicht. Staatssekretär Martin Gehrer selbst schlug den Kabarettisten vor, die Sujets doch via Bildmontage anzufertigen. Und Fässler umrahmte seine Pressekonferenz vor der Kathedrale mit einem Ständchen der "Marseillaise", dargebracht von seinen Mitstreitern Willi Häne und Fabio Pasqualini. Wahrscheinlich wäre der Medieneffekt verpufft, hätten die Behörden etwas mehr Flagge gezeigt. Fredi Kurth |