Anzeiger Nr.48 / 27. November 2001 Stadt überstand Fahnentürk Der Kabarettist Hans Fässler hat am Montag am St. Galler Rathaus die EU-Fahne gehisst. Ueber eine kurz- oder gar langfristige Beeinträchtigung der städtischen Bevölkerung ist bisher nichts bekannt. cla. Am Montagvormittag hat der St. Galler Kabarettist Hans Fässler am städtischen Rathaus für kurze Zeit eine EU-Fahne gehisst und die Stadt und ihre Menschen scheinen dies ohne Schaden überstanden zu haben. Diese Feststellung ist insofern nicht ganz nebensächlich, als nicht involvierte Beobachter der Fässlerschen Fahnenhiss-Aktion im Vorfeld dieses Montags hätten meinen ksnnen, der Kabarettist plane Umstürzlerisches. Dabei gings stets nur um ein Kabarettprojekt, das Fässler zusammen mit den Musikern Willi Häne und Fabio Pasqualini fürs Kantonsjubiläum im Jahr 2003 plant. In satirischer Form sollen darin Entstehung, Geschichte und der aktuelle Zustand des Kantons behandelt werden. Zur Visualisierung dieses Programms planten Fässler und Mitstreiter die Beflaggung der Kathedrale mit der französischen Trikolore (was 1798 schon einmal stattfand und damals den Einzug der "neuen Herren" symbolisierte), des Regierungsgebäudes mit der Sowjetflagge (so weit kam es in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts zwar nie, etliche aber haben es befürchtet) sowie des städtischen Rathauses mit der Fahne der EU (Vorwegnahme der Zukunft?). Während nun die St. Galler Stadtregierung Fässlers Vorhaben schnell und ohne Umschweife bewilligte, wollte Bischof Ivo Fürer der Aktion seinen Segen nicht erteilen, und auch der Kanton lehnte das Ansinnen ab. Die Begründungen für Bewilligung und Ablehnung konnten unterschiedlicher nicht sein: Bei der Stadt hiess es, St. Gallen falle durch das kurzzeitige Hissen der EU-Fahne kein Zacken aus der Krone, Staatssekretär Martin Gehrer und mit ihm die Kantonsregierung hingegen fürchteten um "die Würde" des weltbekannten Kloster-Komplexes. Bischof Fürer lehnte aus nicht näher definierten grundsätzlichen Erwägungen ab. Diese ablehnenden Entscheide motivierten den Kabarettisten Fässler erst so richtig: Er sah damals sofort die Chance, den "St. Galler Flaggenstreit" gleich in sein Kabarettprogramm einzubauen. So gab er nicht klein bei, informierte die Oeffentlichkeit über die Ablehnung des Gesuchs und schrieb fleissig Wiedererwägungs-Gesuche. Schliesslich nahm sich auch die Politik der Sache an, und so stand die Kantonsregierung plötzlich vor der nicht so einfachen Aufgabe, "die Würde des Stiftsbezirks" näher zu definieren, wozu sie ein Vorstoss aus dem Kantonsparlament aufforderte. Auch für den Bischof war die Sache mit seinem Nein noch nicht vom Tisch: Fässler gelangte mit der Bitte um Fürsprache für sein Projekt an die katholische Administration und schliesslich gar an den katholischen Nuntius in Bern. Das änderte zwar nichts an der ablehnenden Haltung Fürers, brachte Fässler aber immerhin die Einladung zu einem persönlichen Gespräch beim Bischof ein. Neben seiner regionalen Korrespondenz führte Kabarettist Fässler auch noch eine internationale: Er ersuchte EU und UNO um die Erlaubnis, deren Flagge fürs Kabarett verwenden zu dürfen, was im Falle der EU umgehend gewährt wurde, im Falle der UNO indes erst auf Wiedererwägung hin. Dort hatte der Direktor des "Office of Legal Affairs" der "General Legal Division" nämlich zuerst den Begriff Kabarett mit dem englischen "Cabaret" gleichgesetzt und deshalb unter Hinweis auf Artikel 5 und 7 des "United Nations Flag Code" entschieden, ein "Cabaret" sei kein würdiges Umfeld für das UNO-Tuch. Die in Fässlers Wiedererwägung enthaltenen Ausführungen zum Wesen des Kabaretts im deutschsprachigen Raum im Allgemeinen und im Besonderen konnten den Direktor aber schliesslich überzeugen, er gab dem "Dear Mister Faessler" doch noch sein Plazet zur Verwendung des UNO-Tuchs. Anlässlich der Hissung des Europa-Tuchs am St. Galler Rathaus zeigte sich Fässler an einer Medienkonferenz überrascht von all den Kontroversen, die diese Flaggenhiss-Aktion im Vorfeld seines Kabarettprogramms auslöste. Er gestehe, dass er die Symbolkraft von Fahnen bei weitem unterschätzt habe. Im übrigen sei er nun mal einer, der bekanntermassen gerne streite und Spass habe. Im Rahmen der Vorgeschichte zur Flaggenhissung sei er diesbezüglich voll auf seine Rechnung gekommen. Dass all die Kontroversen der vergangenen Monate um das Hissen fremden Tuchs an wichtigen Gebäuden in St. Gallen über Streit und Spass hinaus auch noch beste Werbung brachten für Fässlers Kabarettprogramm, das am symbolträchtigen 19. Februar im Jahr 2003 Premiere haben wird, sagte der Kabarettist an der Medienorientierung nicht ausdrücklich. Aber zweifellos hat er sichs gedacht. |