Anzeiger Nr.05/ 30. Januar 2001 UNO-Bürokratie als Satire-Lieferant Das Kabarett von Hans Fässler sollte eigentlich erst anlässlich des St. Galler Kantonsjubiläums unterhalten. Schon die Vorarbeiten haben aber hohe Satire-Qualität. cla. An Höflichkeit mangelt es dem Schreiben nicht: Ein gewisser Bruce C. Rashkov "bedauert" darin unter Hinweis auf die Artikel 5 und 7 des "United Nations Flag Code" gegenüber dem "Dear Mr. Faessler", dass der Anfrage nicht entsprochen werden kann. Bruce C. Rashkov ist Direktor des "Office of Legal Affairs" der "General Legal Division" bei der UNO in New York, und beim von ihm brieflich angesprochenen Mr. Faessler handelt es sich um den St. Galler Kabarettisten Hans Fässler. Der hatte einen knappen Monat zuvor beim erwähnten UNO-Office of Legal Affairs schriftlich und in exquisitem Englisch um die Erlaubnis nachgesucht, für sein Kabarett-Programm, das er zusammen mit Willi Häne und Fabio Pasqualini für das 200-Jahr-Jubiläum des Kantons St. Gallen plant, die UNO-Flagge zusammen mit jener der Stadt St.Gallen sowie jener der EU für kurze Zeit am St. Galler Rathaus hissen zu dürfen. Seine negative Antwort begründet Direktor Rashkov nun damit, dass Fässler die UNO-Flagge wohl nicht im die Welt-Organisation sowie ihre Zwecke und Prinzipien unterstützendem Sinne hissen würde. Darüber hinaus würde die Organisation durch das Hissen ihrer Flagge im Zusammenhang mit Fässlers Kabarett "mindestens indirekt" für kommerzielle Zwecke eingespannt, denn: "Wir nehmen an, dass für den Besuch Ihrer Vorführung ja auch Eintritte verkauft werden." Nun kennt UNO-Direktor Rashkov natürlich unseren Hans Fässler nicht, was zu seiner Entlastung vorzubringen ist. Würde er ihn kennen, hätte Rashkov womöglich zweimal überlegt, ob er einen Brief dieses Inhalts an den Ostschweizer Kabarettisten senden und sich damit die Basis für weitere Umtriebe schaffen soll. Denn selbstverständlich wird Fässler - so kennen wir ihn - die Absage aus New York nicht einfach hinnehmen, sondern ein Wiedererwägungs-Gesuch verfassen und darin nochmals auf die Einbettung seines Kabarett-Programms in staatlich geförderte Jubiläumsaktivitäten hinweisen sowie diesem Gesuch allerhand Empfehlungsschreiben der öffentlichen Hand sowie von gewichtiger Schweizer Polit-Prominenz beifügen. Eine entsprechende Bitte Fässlers um Unterstützung ist inzwischen bereits bei der St. Galler Staatskanzlei eingegangen In dieser Hinsicht weiser als der erwähnte UNO-Direktor hat deshalb das Generalsekretariat der Europäischen Kommission in Brüssel gehandelt, das Fässler ebenfalls um Erlaubnis für den Flaggen-Gebrauch anschrieb. Das Okay kam ohne grosse Umstände - und ganz unbürokratisch per E-Mail. Fässlers Flaggen-Korrespondenz im Weltmassstab schliesst an seinen regen regionalen Briefwechsel zum selben Thema an, den er im zweiten Halbjahr 2000 mit der Stadt, dem Kanton und dem Bischof von St. Gallen führte (Anzeiger Nr. 46/2000). Dem schriftlichen Ersuchen des Kabarettisten, für einige Minuten allerhand nicht schweizerisches Fahnentuch sowohl auf dem Rathaus als auch auf dem Regierungsgebäude und der Kathedrale zu hissen, kam indes nur gerade die Stadt entgegen, Kanton und Kirche lehnten das Ansinnen unter Hinweis auf die Würde des Stiftsbezirks ab, was dann Parlamentarier wiederum beflügelte, per Vorstoss im Kantonsparlament Genaueres über diese Würde des Stiftsbezirks in Erfahrung zu bringen. Dass bereits die Vorbereitung seines Kantons-Jubiläums-Programms zum Gaudi der Oeffentlichkeit nicht nur die weltlichen und klerikalen Bürokratien in der Region in Marsch setzt, sondern auch noch jene der UNO und der EU, quittiert Kabarettist Fässler selber mit einem verschmitzten Lächeln. Denn wie immer der Flaggenstreit, den er vor Monaten vom Zaun gerissen hat, auch ausgehen wird, er kann dabei nur gewinnen - und dies gleich in doppelter Hinsicht: Mit jedem bekannt gewordenen Briefwechsel zwischen Fässler und irgendwelchen Beamten steigt einerseits die öffentliche Neugier auf sein Kabarett-Programm - und darüber hinaus liefern ihm in- und ausländische Bürokraten erst noch Realsatire frei Haus. Was will er mehr!? |