"L’Ouverture stirbt 1803"
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St. Gallen, 25. September 2000


S.E.M. Régis de Belenet
Ambassadeur de France
46, Schosshaldenstrasse
3006 BERNE


Flaggenstreit u.a. um Trikolore



Exzellenz

Wie Sie dem beiliegenden Dossier, welches wir heute an einer Pressekonferenz vorgestellt haben, entnehmen können, ist im Kanton St. Gallen ein "Flaggenstreit" entstanden, der Sie interessieren dürfte.

Die Vorgeschichte ist die folgende: Ich habe zusammen mit zwei befreundeten Musikern im Hinblick auf das 200-Jahr-Jubiläum des Kantons St. Gallen ein Kabarettprogramm konzipiert, welches Entstehung, Geschichte und aktuellen Zustand des Kantons St. Gallen behandeln soll. Dabei wird das Schicksal des haitianischen Befreiers Toussaint l’Ouverture, welcher 1803 unweit der Schweizer Grenze gestorben ist, als Parallelgeschichte zur Kantonsgründung durch die Mediationsakte von Napoelon und zur ironischen Distanzierung vom st. gallischen Lokalpatriotismus dienen.

Zur fotographischen Visualisierung der Funktion der französischen Okkupation wollte ich eine Szene aus der Helvetik von 1798 nachstellen: eine kurze Hissung der Trikolore an den St. Galler Klostertürmen (siehe St. Galler Geschichte von Georg Thürer, S. 121). Dies wurde mir aber vom Bischof und auch vom Kanton St. Gallen (Staatskanzlei, Departement des Innern) mit dem Argument abgelehnt, eine solche Beflaggung stehe im Widerspruch zur Würde des Stiftsbezirks als Weltkulturerbe.

Insbesondere hält das Departement des Innern fest:

"Das Aushängen von Fahnen anderer Staaten als jener der Schweiz und des Vatikans, welche bei besonderen Glegenheiten dier Kathedrale schmücken, erscheint mir deshalb nicht angebracht. Auch muss der Tatsache Rechnung getragen werden, dass Orte mit einem engen Bezug zu Glaubensbekenntnissen Werthalungen berühren und daher sehr sensible Bereiche sind." (siehe Beilage)

Zudem schreibt der Bischof von St. Gallen, Ivo Fürer:

"Wie Ihnen die Kanzlerin, Frau Küng, bereits mitgeteilt hat, steht für mich die Bedeutung der Kathdrale als Gotteshaus und Hauptkirche des Bistums St. Gallen im Vordergrund. Dies ist von grosser Bedeutung für den inneren Raum, aber auch für das Aeussere." (siehe Beilage)

Im Zusammenhang mit diesen Aeusserungen möchte ich Sie nun anfragen, wie Sie sich zur Tatsache stellen, dass sowohl vom Staat als auch vom Bistum St. Gallen eine kurze, d.h. etwa 10-minütige, Hissung der Trikolore in einem kulturell-künstlerischen Kontext (Kabarettprogramm zur Geschichte des Kantons) als nicht verträglich mit der Würde des Stiftsbezirks als UNESCO-Weltkulturerbe und den Werthaltungen im kirchlichen Umfeld angesehen wird.

Ich danke Ihnen bereits jetzt für Ihre Aufmerksamkeit für unser Anliegen und hoffe, sofern dies Ihre kostbare Zeit erlaubt, auf eine baldige Antwort.


Für das Projekt "L’Ouverture stirbt 1803"

Hans Fässler


Beilagen erwähnt