Ein Bündner erklärt die Sklavenwirtschaft

"In begründt schwehrem Kummer, nagenden Sorgen und schmertzlichem Zurückdenken geht ein mercklicher Teil meiner zeit hin, und daneben beschäfftige mich mit den mir angenehmen Plantage-geschäften, worin mich Herr Zübli, besonders aber Herr Conrad, unser Nachbar, bestens unterrichten, Heer Zublj ist ein junger Mann von ca. 28 Jahren, darbey aber von villen Kranckheiten, besonders Fieber und Colique, die er öfters hat, sehr schwächlich und mager, wird auch, wo nicht diseres, doch womöglich könfftiges Jahr eine Reise nach Holland thun, umb einer besorgenden Lammheit durch Veründerung des Climas auszuweichen. Darneben ist Herr Züblj ein guter stiller redlicher Mann, ich lebe mit ihme, wir mit einem lieben Bruder. Er ist Directeur und Administrateur, und hat nebst genugsamer Provision jährlich ca. f. 1500 Revenuen.

Die Plantage Schepmoed wurde von seiner Mamma vor ca. 18 Jahren mit einichen wenigen Sclaven angefangen und nachhin in Compagnie der Herren Poll in Amsterdam weiter poussirt. Dato ist Madarne Verster auf ihren halben Antheill, obschon solcher immer unter Correspondance vom Hause Poll stehen müssen, wenig mehr schuldig, und die Plantage, welche fast von Beginn von Herrn Conrad und seith ca. 7 Jahren von Herrn Züblj dirigirt worden, hat ca. 40'000 Bäunle, ca 50 grosse und ca. 40 kleine Sklaven, welche nebst den villen Gebäuen vor einem Jahr durch ein obrigkeitliche oder durch Generaladministrateurs beschehene Taxation auf f. 173'000 estimirt worden.

Heer Conrad aus Bündten, ein stiller redlicher und sehr verständiger Mann, ist schon seith 16 Jahren hier und seith ca. 4 Jahren auf der gantz ruinirt gewesten Plantage Mara, die l60 Sklaven hat und dies Jahr mehr als 100'000 ll. Caffée machen wird, Directeur und Administrateur.

Dise beyde Freunde, die mir täglich alle Proben ihrer wahren Zuneigung geben, habe in meiner kummervollen Lage umb Rath gefragt, und von ihnen folgende Antwort erhalten:

Dass ohne viljährigen Auffenthalt und starke Recommandationes kein guten Posten, welche hier rare und gesucht, bekommen werde; und eine Directeur-Stelle, ohne Administrateur darbey zu sein, könten sie mir nicht rathen; wann auch eine der besten bekäme, so hätte doch weiters nichts als Brodt und könte niemahls nicht das mindeste weiter erwerben. Sollte ich aber, sagten sie weiter, einen bemittelten Freund in der Welt haben, dehme im Vertrauen die wahren Umstände und den zimlich sichren grossen Vortheill von einer hiessig, in gut Grund ligenden Caffée-Plaiitage, die nicht unter Correspondance eines holländischen oder so gesinnten Kauffmanns stehen müsste, begrifflich machen und von ihme oder durch ihne in Zeit 4 Jahren zu Anlegung einer Caffée-Plantage, nemblich zu Erkauff ca. 20 guten Slaven und Anschaffung fernerer Benothigheiten, das erforderliche Gelt, als in allein Capital von 20, höchst f. 22'000 gegen moderate Zins bekommen können, so wäre diseres der sicherste Weg zu meinem Glück. Ich müsste ein von den in der Gegend von Schepmoed ligenden, ihnen bekannt vortrefflichen Grunden nehmen, und wann ich einmahl einiche eigne Slaven hätte, so wollten sie mir nicht nur mit allem Rath, sondren nach Möglichkeit werkthätig mit ihren villen Slaven so beystehen, dass in wenig Zeit das Holtz gehauen, die Damm und Gräben gemacht und in Zeit von 1 Jahr, nemblich vom Anfang einer Trockenzeit gerechnet, ca. 2o'ooo Caffée-Bäume gesetzt seyen. Ihre Negers sollen mich nichts als erwanne Geschencke, wie man den Slaven gewöhnlich gibt, kosten. In Absicht der Gebäue wollten sie mir dann auch bestens helffen, und bis 1 Haus gebaut, könne bj ihnen logiren, ich solle ein angenehmer Gast sein.

Wäre es mir aber unmöglich, sagte Herr Conrad, ein so grosses Capital, ehender aber etwas minder, zu bekommen, so seye er erbietig, wann ihme treue Verschwiegenheit verspreche, - dann verrathen könte ihme sein durch viljährige Arbeit endtlich erworbenen guten Posten kosten, - die Sache mit mir gemeinschafftlich zu haben. Sein Vermögen bestehe in 10 guten ausgewachsenen Slaven, worunter 1 Zimmer-Neger. Könnte ich nun nach einer Zeit und bj Gelegenheit eben so vil Slaven kauffen und zudehme auf das zu ferneren Benothigheiten erforderliche Gelt, dann zu dato könte er in Gelt nichts beytragen, nemblich auf ein Capital von 12, höchst 14'ooo R. in Zeit 4 Jahren, so wie man es alljährlich benöthiget wäre, umb billiche Zins, sichre Rechnung machen, so wollten wir in wenig Zeit eine schöne und nutzliche Plantage haben. Beynebens wollte er von seinen Erspahrnussen alljährlich f. 1400.- baar oder, so immer möglich, 1 neuer Neger, deren wir ohnehin immer mehr haben müssen, geben, und so lange continuiren, bis er mit mir die gleiche Summa stehen habe, unterdessen aber solches verzinsen wolle. Ueberdies und vor Beginn unsers gemeinschaftlich währenden Geschäftes mit mir 1 Contract machen, der nicht nur die Gage, welche alljährlich vor meine Direction beziehen solle, bestimme, sondern der auch alles in sich begreiffe, dass ich oder wir beyde denken könten, dass auf früeh oder späthere Zeiten zu Ausweichung Streits oder Uneinigkeit nöthig sein möchte.

Bis nach 4 Jahren, wo die Cafféebäume völlig ausgewachsen, könten keine Zins bezahlt werden. Nach diser Zeit aber werden wir die alten und immer verfallende Zins richtig abführen, auch so Gott Seegen verleiht und uns erhält, nach Verfluss 10 a 12 Jahren, wo alles in Ordnung und genugsam Slaven sein sollte, ich imstandt sein, das Capital terminsweis auf Verlangen abzuführen.

(...)

Euer Hochwohlgeborn unterthänig-gehorsamster Diener
Johann Conrad Wintz
by Heer Züblj op de Plantage Schemoed "


[Brief abgedruckt in: Hans Conrad Peyer, Von Handel und Bank im alten Zürich, Zürich 1968, S. ??]