Es wird knapp für Fässler

Finanzkommission, SVP und FDP bekämpfen Beitrag für Sklavereireportagen

st. gallen. Dass der Historiker Hans Fässler keine Lotteriefonds-Gelder für sein Buch «Sklavereireportagen aus der Schweiz» erhalten soll, löst bei Historikern Kopfschütteln aus. Heute oder morgen dürfte im Kantonsrat darüber debattiert werden.

ANDREAS FAGETTI

Hans Fässler hat im Kantonsjubiläumsjahr mit seinem Kabarett «Louverture stirbt 1803» unter anderem die Verbindungen St. Gallens mit Haiti thematisiert. Beim Aufstand der haitianischen Sklaven vor 200 Jahren gegen die französischen Herren kämpften auch St. Galler Söldner auf Seiten der Franzosen. Fässler wird nun in einem Reportageband die Beteiligung von Schweizer Handelsfirmen am Sklavenhandel vertiefen. Dafür hat er beim Lotteriefonds einen Beitrag von 15 000 Franken beantragt. Das ist für Lotteriefonds-Verhältnisse ein bescheidenes Gesuch. Für die Finanzkommission aber zu viel und unnötig. Sie beantragt Streichung mit der Begründung, es handle sich um «ein gesuchtes und völlig nebensächliches Thema mit keinem Bezug zum Kanton St. Gallen». Damit steht sie im Gegensatz zur Regierung, die sich für Fässlers Projekt einsetzt.

FDP: Grundsatzentscheid

Die Fraktionen von FDP und SVP unterstützen die Streichung. Manche hegen nun den Verdacht, hier wolle man vor allem die Person Fässler abstrafen. Lange Zeit war der dezidierte Linke für bürgerliche Politiker eine Reizfigur. FDP-Fraktionspräsident Andreas Hartmann bestreitet diesen Zusammenhang, die FDP wolle weder das Thema noch Fässlers Arbeit qualifizieren: «Uns geht es vor allem um den Grundsatz, dass mit Lotteriefondsgeldern das kulturelle Erbe des Kantons St. Gallen erhalten werden soll. Diese Reportagen gehören nicht in diese Kategorie.» Auf Seiten der SVP wird man deutlicher. Fraktionspräsident Markus Straub folgt der Argumentation der Finanzkommission, sagt aber auf Nachfrage auch: «Dass der Beitrag Hans Fässler zugute kommen soll, macht uns den Entscheid sicher nicht schwerer.» Die SP stellt sich selbstredend hinter Parteikollege Fässler. Die CVP will den Beitrag nicht streichen, in der Fraktionssitzung aber wurde darüber nicht abgestimmt. Parteisekretär Andreas Nagel: «Mit dieser Aktion will man die Person Fässler abstrafen. Hier verliert man die Sache aus den Augen.» Hans Fässler rechnet mit einem knappen Entscheid: Wird die CVP-Fraktion geschlossen mit dem links-grünen Lager stimmen, dürfte ihm der Beitrag sicher sein. Ansonsten wird es schwierig.

Brief an die Fraktionen

Nur ein Kopfschütteln übrig für den kleinlich wirkenden Streichungsantrag haben Historiker. Im Namen des Historischen Vereins des Kantons St. Gallen - nicht eben ein Hort linker Parteigänger - äussert sich dessen Präsident Franz Xaver Bischof in einem Brief an die Fraktionschefs: «Die Argumentationsweise der Finanzkommission hat mich und meine Historikerkollegen ziemlich befremdet.» Und: «Was speziell die Frage der Sklaverei und des Sklavenhandels und die damit verbundene Problematik betrifft, so besitzt das Thema in der internationalen Forschung einen hohen Stellenwert und verdient meines Erachtens auch in der Schweiz und in der Ostschweiz eine solide Bearbeitung (...). Das dem Kantonsrat zur Ablehnung empfohlene Projekt könnte einen Beitrag dazu leisten.»