Gemeinderat der Stadt St. Gallen
Postulat Bea Heilig Kirtz (Politische Frauengruppe PFG) vom 25. Februar 2003
St. Galler Beteiligung an Sklaverei und transatlantischem Handel mit Sklavinnen und Sklaven im 18. Jahrhundert
Im Zusammenhang mit der Diskussion, welche an der UNO-Konferenz von Durban über afrikanische Entschädigungsforderungen an Europa geführt wurde, wurde in der Schweiz einmal mehr die Überzeugung deutlich, dies alles gehe unser Land nichts an, weil wir mit Sklaverei, SklavInnenhandel und Kolonialismus nicht zu tun gehabt hätten. Dabei haben namhafte Historiker aufgezeigt, dass der ganze europäische Kontinent durch Handels-und Finanzbeziehungen in den Dreieckshandel Europa-Afrika-Amerika-Europa mit einbezogen war, ja, dass der Aufschwung Europas vom 16.- 19. Jahrhundert bis hin zur Industrialisierung zu einem beträchtlichen Teil auf diesen spezifischen ökonomischen Beziehungen und damit auch auf Sklaverei und transatlantischem Handel mit SklavInnen beruhte.
Darüber hinaus führt ein lediglich kursorisches Studium verschiedener Werke zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der Schweiz im 18. Jahrhundert sowie eine Neulektüre älterer Standardwerke zur überraschenden Erkenntnis, dass die schweizerische Verflechtung mit Sklaverei und Dreieckshandel weit enger war als bisher bekannt. So finden sich in praktisch allen relevanten Tätigkeiten des Handels mit SklavInnen schweizerische Akteure: vom Gründer einer SklavInnenhandelsburg vor der Küste Afrikas über den Reeder, Financier, Versicherer und Aktienbesitzer von Sklavenschiffen bis hin zum Besitzer und Aufseher von Plantagen, zum Offizier und Soldaten im Kampf gegen revoltierende SklavInnen und schliesslich zum Kaufmann im Geschäft mit Gütern für den Dreieckshandel (Textilien und Kolonialwaren).
Auch die Stadt St. Gallen war in dieses schweizerische und europäische Netz von Finanz- und Handelbeziehungen eingebunden. Dabei ist vor allem auf die Mitglieder der St. Galler Familien Rietmann,, Schlumpf und Züblin hinzuweisen, die in Surinam Plantagen samt dazugehörigen SklavInnen besassen. Auch einige angesehene Kaufleute und Handelsbanquiers und deren Familien oder Dynastien haben durch mehr oder weniger direkte Beteiligung am Dreieckshandel teilweise Profite aus dem transatlantischen Handel mit SklavInnen gezogen. Es betriff dies u.a. Mitglieder der Familien Högger, Kunkler, Hochreutener und Zollikofer.
Die Schweiz hat 2001 mit der Schlusserklärung der Konferenz von Durban folgendes mitunterzeichnet:"Wir bedauern, dass Sklaverei und Sklavenhandel entsetzliche Tragödien der Menschheitsgeschichte waren; nicht nur wegen ihrer abscheulichen Barbarei, sondern auch angesichts ihres Ausmasses, der Art ihrer Organisation und vor allem der Negierung des Wesens der Opfer. Wir erkennen ferner an, dass Sklaverei und Sklavenhandel ein Verbrechen gegen die Menschheit sind..."
Der Stadtrat wird beauftragt, Bericht und Antrag zu stellen, ob und wie die Stadt St. Gallen ihre Beteiligung an Sklaverei und Sklavenhandel aufarbeiten lassen und sich an einer Wiedergutmachung beteiligen kann.