Bürgergemeinderat Basel
Interpellation Heidi Mück (BastA!) vom 19. Februar 2003

Waren bekannte reiche Basler Familien in den SklavInnenhandel verwickelt?

Erinnern wir uns, als an der Rassismuskonferenz in Durban (Südafrika) 2001 unter anderen die USA wegen dem "Black Holocaust" auf der Anklagebank sassen, war die landläufige Reaktion: "Endlich die USA und nicht die Schweiz mit dem Nazigold!" Die Schweiz unterschrieb in Durban folgende Erklärung (Auszug): "Wir bedauern, dass Sklaverei und Sklavenhandel entsetzliche Tragödien der Menschengeschichte waren; nicht nur wegen ihrer abscheulichen Barbarei, sondern auch angesichts ihres Ausmasses, der Art ihrer Organisation und vor allem der Negierung des Wesens der Opfer. Wir erkennen ferner an, dass Sklaverei und Sklavenhandel ein Verbrechen gegen die Menschheit ist."
Bis jetzt ist in der breiten Öffentlichkeit kaum bekannt, dass der Reichtum namhafter Basler Familien, wie Merian, Faesch, Hoffmann, Burckhardt, Riedy, Miville, Iselin zum Teil durchaus auch aus dem SklavInnenhandel stammen könnte.
Die Zahl der aus Afrika in die neue Welt verschleppten SklavInnen wird für die Zeit zwischen dem 16. und 19. Jahrhundert – je nach Schätzung – mit zwischen 10 und 30 Mio. Menschen angegeben. Im 17. und 18. Jahrhundert spielte der SklavInnenhandel als ein Element des sogenannten " Dreieckhandels" zwischen Europa, Afrika und Amerika eine wichtige Rolle. Europäische Handelsfirmen brachten Textilien, Alkohol und Waffen nach Afrika. Gegen diese Waren tauschten sie SklavInnen ein und verkauften sie an die Plantagenbesitzer in Südamerika, der Karibik und in Nordamerika. Von dort verschifften sie vor allem Baumwolle, Zucker, Kaffee und Indigo nach Europa. Die durchschnittliche Lebenserwartung für einen schwarzen Sklaven auf einer Zuckerplantage betrug 7 Jahre – so hart waren die Lebens- und Arbeitsbedingungen. Die Sklaverei hatte direkte Auswirkungen bis nach Basel. Bekannt ist die Ausstellung von "Negern" im Basler Zolli Ende 19. Jahrhundert.
An sich ist das Wissen über die Basler Verflechtungen mit dem Sklavenhandel nicht neu. Bekannte Basler Historiker wie Herbert Lüthy, Walter Bodmer und Hans Werner Debrunner haben die nachfolgenden Tatsachen zu den Basler Familien recherchiert:
- Die Sklavenburg Cape Coast (heutiges Ghana) wurde 1652 vom Basler Isaak Miville in schwedischen Diensten gegründet. (H. W. Debrunner, Basler Stadtbuch 1993)
- Über Johann Jakob Hoffmann wird berichtet: " ….und liessen sie (die Sklavinnen und Sklaven) hernach durch Mittelsmänner, an die Küste von Venezuela bringen, wo sie gegen Kakao eingetauscht wurden. Hoffmann empfahl seinen Korrespondenten, nur junge, kräftige Neger und Negerinnen mit hübschen Gesichtern einzukaufen, da nur diese in Spanisch-Amerika einen preiswerten Absatz finden würden. Die in Curacao auf den Sklavenhandel stehende Kopfsteuer hoffte er dadurch teilweise umgehen zu können, dass er die Neger als Matrosen verkleiden liess." (W. Bodmer, Basel 1946)
- Die Familie J.J. Faesch, war im Kolonialwarenhandel tätig und besass selbst Plantagen: "Erst von 1815 an haben sich die wirtschaftlichen Verhältnisse der Kolonie sowie die Absatzverhältnisse für den Rohrzucker wesentlich gebessert. Der wieder aufgenommene Handelsverkehr mit dem Mutterlande und der nach dem Fall der napoleonischen Herrschaft in Europa vorhandene "Hunger" nach Kolonialprodukten bewirkten ein starkes Steigen der Rohrzuckerpreise. Durch den Ankauf von weiteren 41 Sklaven für Hoyland im Jahre 1820 konnte ferner die Zuckerproduktion wesentlich gesteigert werden und hat 1825 745 Fass erreicht." (Walter Bodmer, Basel 1946)
- Das Basler Handelshaus Burckhardt war nach unterschiedlichen Quellen (darunter dem Historischen Lexikon der Schweiz), direkt oder über die Tochterfirma Bourcard & fils, an der Ausrüstung von bis zu sechs Sklavenschiffen beteiligt, an welcher auch Christoph Merian partizipierte. 1816 fuhr das von Bourcard & fils ausgerüstete Schiff "le Cultivateur" nach Afrika. Im portugiesischen Angola wurden 519 SklavInnen erstanden, 492 SklavInnen überlebten die Überfahrt und wurden in Westindien mit Profit verkauft. In der Abrechnung wurden unter "à déduire" (abzuziehen) fein säuberlich die Verluste aufgezählt. (H. W. Debrunner 1991)
- Reinhard Iselin wird als Finanzberater des dänischen Königs und grosser Kolonialwarenunternehmer erwähnt.
- Die Basler Firma Riedy wird im Zusammenhang mit Tätigkeiten im SklavInnenenhandelshafen Nantes zitiert.

Dies ist nur eine unvollständige und verkürzte Auflistung. Offensichtlich bedarf dieses dunkle Kapitel der Basler Geschichte dringender zusätzlicher Aufklärung. Deshalb möchte ich dem Bürgergemeinderat folgende Fragen stellen:

1. Ist der Bürgerrat auch der Meinung, dieser Teil der Basler Geschichte bedürfe dringender zusätzlicher Aufklärung?
2. Ist der Bürgerrat bereit für diese Recherchen Geldmittel zur Verfügung zu stellen?
3. Ist der Bürgerrat auch der Meinung die unter der Aufsicht der Bürgergemeinde stehende Christoph Merian Stiftung (CMS) sollte dringend abklären, wie weit ihr Stiftungskapital auf dem Profit am SklavInnenhandel beruht?
4. Ist der Bürgerrat bei Bedarf bereit, in Zusammenarbeit mit dem Regierungsrat mit Erben und Erbinnen von an Sklaverei und SklavInnenhandel beteiligter Familien über mögliche Wiedergutmachungsleistungen zu reden?
5. Ist der Bürgerrat bereit, gemeinsam mit dem Regierungsrat in Zusammenarbeit mit in dieser Frage engagierten afrikanischen, amerikanischen und europäischen Organisationen Vorstellungen hinsichtlich Wiedergutmachung und Entschädigung gegenüber Afrika zu entwickeln, sollte eine historische Aufarbeitung die Beteiligung von Basler BürgerInnen am SklavInnenhandel bestätigen?
6. Hat der Bürgerrat noch andere Vorstellungen oder Ideen, wie die Geschichte aufgearbeitet und das vermutete Unrecht gesühnt werden kann?