Kommentar von Hans Fässler zur Thurgauer Antwort

Wann gilt eine Beteiligung nicht als Beteiligung? Wenn sie "nur" genealogisch ist? Wenn sie zum aktuellen Zeitpunkt "nur" territorial ist? Die Art und Weise, wie Bürglen und Hauptwil gewissermassen entthurgauifiziert, d.h. als nicht zur "Landgrafschaft Thurgau des 17. und 18. Jahrhunderts als staatliches Gebilde" gehörig betrachtet werden (obwohl sie in anderen Zusammenhängen durchaus stolz als "Thurgauer Gemeinde" bezeichnet werden), scheint mir etwas gewunden.

Niemand sonst hat sich in seiner Antwort (siehe übrige parlamentarische Vorstösse ) auf den genealogischen Standpunkt gestellt und die betreffenden Personen gewissermassen ausgebürgert, nur weil sie nicht mehr dort wohnten oder die sklavereirelevante Tätigkeit nicht vom entsprechenden Staatsgebiet aus erfolgte. St. Gallen z.B. hätte bei den Zollikofers und Ausserrhoden bei den Zellwegers auch so argumentieren können; beiden haben es aber nicht getan. In der Geschichte der thurgauischen (!) Gemeinde Bürglen ist Baron Guiger übrigens offenbar plötzlich bürglerisch und thurgauisch genug, um ihm einige Seiten zu widmen.

In Frage 3 wird plötzlich wieder mit der Quellenlage argumentiert, warum man nicht aufarbeiten will. Traut man den anderen Argumentationssträngen doch nicht so recht?

Dass der berühmte Historiker Herbert Lüthy nun plötzlich mit einem Thurgauer Bürgerrecht geschmückt wird, ist angesichts der "genealogischen Ausbürgerung" aller heiklen Personen ein argumentativer Salto Mortale.

Dass die Erkenntnisse von Lüthy von der historischen Forschung "sehr wohl zur Kenntnis genommen worden" seien, ist eine kühne Behauptung. Von der politischen Öffentlichkeit, und um diese geht es ja bei einem solchen Vorstoss, sind sie es sicher nicht.

Dass die, welche "in Kolonial- und Sklavenhandel investierten", andeutungsweise noch geschützt werden, indem ihnen Unwissen unterstellt wird, ist äusserst problematisch. Dass die Thurgauer Antwort zu "einem der grössten Verbrechen der Geschichte" (George W. Bush in Gorée, Senegal) gar nicht Stellung nimmt, wie leider andere Kantone auch, ist ein Skandal.